Ziegen sind in unserer Gesellschaft Nutztiere und oftmals macht sich der Mensch keine Gedanken um eine artgerechte, tierfreundliche Haltung. So erging es auch unseren Ziegen, 10 an der Zahl. Entweder lebten sie auf müllhalden-ähnlichen Plätzen, eng und verletzungsgefährdet, in zu kleinen Boxen ohne Licht oder angebunden an einem Baum.

Bei uns haben sie einen trockenen hellen Stall und ein großes Wiesengehege und im Herbst dürfen sie frei bis in den Wald laufen und genüsslich an den vielen Büschen am Wegrand knabbern. Sie sind eine friedliche Herde geworden, jedoch einige mit großem Angstverhalten gegenüber dem Menschen.

Besonders Helene ist sehr zutraulich, denn sie hat eine traurige Geschichte.

Ihre Mutter kam krank zu uns und war trächtig. Sie gebar 4 Tage später Drillinge. Die Geburt war schwierig, mein Mann und ich waren an ihrer Seite, mussten aber nicht helfend eingreifen. Die kleinen waren kränklich, schwach und das Muttertier hatte nicht genügend Milch. Am darauffolgenden Tag lag die Mutter erschöpft im Stroh und hatte hohes Fieber. Alle Bemühungen des Tierarztes waren erfolglos, sie starb. Wir gaben die 3 kranken Jungtiere in die Klinik. Aber nur Helene überlebte. Am 5. Tag holten wir sie zu uns nach Hause und sie wuchs im Familienverband auf.

Zu Anfang trug ich sie ständig in einem Tragetuch bei mir und gab ihr bei jedem leisen Ruf die Flasche. Auch beim Einkauf im Supermarkt hing sie an mir, was viele Menschen zum erstaunten Schmunzeln brachte. Sie begann allmählich behende durch die Gegend zu springen und das Zusammensein mit den Hunden war ihr Leben. Sie begleitete uns bei Spaziergängen durch den Wald und auch das Autofahren machte ihr Spaß. Stolz saß sie im Auto neben den Hunden und blickte neugierig aus dem Fenster. Aber allmählich mussten wir überlegen, sie in die Ziegenherde einzugliedern, denn im Haus war nichts mehr sicher vor ihr und sie sollte ja auch wie eine Ziege leben dürfen. Alles wurde beknabbert und auch Katzentrockenfutter schien ihr zu munden.

Sie war so fit, dass kein Möbelstück zu hoch für sie war. Papierrollen wurden aus dem Halter gezogen und durch die Zimmer geschleift, um dann auch gefressen zu werden. Dann kam der Morgen des Abschieds aus dem Familienleben und wir setzten sie in den Ziegenauslauf. Und ab jetzt mussten wir sehr tapfer sein, denn Helene rief nach uns, wie ein Jungtier nach seiner Mutter. Immer wieder begab ich mich für längere Zeit in die Herde und sie blieb eng an meiner Seite. Ich stellte einen Gartenstuhl auf die Wiese und flugs sprang sie auf meinen Schoß und rollte sich friedlich ein. Ich versuchte die Abstände meiner Besuche bei den Ziegen zu vergrößern, um sie an ein Leben unter ihresgleichen zu gewöhnen. Das war schwierig und für uns gab es oft traurige Minuten, in denen wir tapfer ihr Rufen nach uns überhören mussten.

Nun ist sie eine richtige Ziege geworden und hat ihren Platz in der Herde gefunden. Sie ist gesund, jedoch hat sie nicht die Größe der anderen Ziegen erreicht. Aber immer noch bin ich ihr liebster Partner und ab und an nehme ich sie mit auf einen Spaziergang in den Wald und sie genießt es, wenn ich sie kraule und mit ihr spreche.