Bonnie - unser Weihnachtengel 2017

...ein früher Wintereintritt 2017 mit kalten Nächten, eisigem Wind und Schneefall. Fast täglich kommen Anrufe von Mitbürgern, die über abgemagerte, struppig aussehende Katzen in der Nähe von Bahnhöfen, Krankenhäusern und Altersheimen berichten. Es gibt in diesen Gegenden kaum Möglichkeiten Futterstellen einzurichten, da sie nicht betreut werden. Wir sind nur wenige Tierschutzorganisationen in den Vogesen und ausgerechnet hier sind die Winter kalt, lang und schneereich...

Eine befreundete Organisation, Auffangstation für Katzen, übergibt mir einen schmutzig-weißen Kater mit wenigen schwarzen Flecken und einem gekürzten Schwanz. Er wurde bereits auf Krankheiten getestet und kastriert und durfte die Quarantänebox verlassen. Er hat einige Narben am Körper und scheint nicht mehr der Jüngste zu sein. Erschöpft von der Operation und der Fahrt sinkt er auf seinen Schlafplatz, aber das Futter rührt er nicht an. Er trinkt ein wenig, rollt sich zusammen und schläft ein. In den weiteren 2 Tagen: Futter nein, Streicheln ja. In geduckter Haltung genießt er die Berührungen meiner Hand - ängstlich am Anfang, aber mit der Zeit entspannt sich sein Körper und wieder schläft er ein. Sein Bewegungsradius ist klein: Trinknapf, Katzenklo, Schlafmulde.

Am Morgen des 4. Tages meldet sich dann wohl doch sein Magen und er frißt eine ganze Futterschüssel. 2 Stunden später beginnt er wie ein Gefangener im Käfig miauend vor der Tür hin und her zu laufen. Hat er doch ein Zuhause, erinnert er sich und will wieder dorthin? Aber er wurde doch auf der Straße gefunden, einige Zeit von Anwohnern beobachtet, und man konnte nur feststellen, dass er des abends versuchte, einen Schlafplatz zu finden und warme Motorhauben bevorzugte. Auf Suchanzeigen hat sich niemand gemeldet.

Sein Miauen und nervöses Laufen beunruhigte mich und war irgendwann nicht mehr auszuhalten. Es dauerte fast die ganze Nacht, bis er müde wurde und einschlief. Am nächsten Morgen das gleiche, diesmal schrie er lauthals vor dem Fenster des Katzenzimmers und kratzte fordernd an die Scheibe. Wir beschlossen, das Fenster zu öffnen und es nicht wieder zu schließen, bevor er zurückgekommen ist. Aber er kam nicht mehr, nicht diesen Abend und auch nicht in den nächsten Abenden. 

Wir wussten, es war kein Fehler, ihm das Fenster zu öffnen. Er ist ein alter erfahrener Kater, der lange Zeit ein Leben alleine führen musste. Wir kennen diesen Katzentyp: sie alle hatten mal ein Zuhause und landeten, aus welchen Gründen auch immer, irgendwann auf der Straße. Vielleicht wurde seine große Sehnsucht wach nach seinem Körbchen, vielleicht einem Haus mit Garten  und die ihm bekannten Stimmen seiner Familie. Meistens wollen jedoch diese Fundkatzen ihre neue Umgebung bekunden und markieren.

Er wird eine Entscheidung treffen, vielleicht will er Clochard bleiben und draußen irgendwo im Pferde- oder Ziegenstall schlafen oder ins Dorf abwandern. Auf den Wildkameras, die nachts eingeschaltet sind, konnten wir ihn nicht sehen. 

...doch dann, eines abends, schaue ich von meiner Arbeit am Computer Richtung Fenster und ich begegne dem Blick zweier grüner Augen. Ich hole eine Schüssel Trockenfutter aus der Küche; aber schon beim Öffnen des Fensters verschwindet er in der Dunkelheit. Ich lasse das Futter auf der Außenfensterbank stehen und am nächsten Morgen ist sie leer. Einige Abende später sitzt er wieder am Bürofenster, ich stelle die Futterschüssel auf meinen Schreibtisch in der Hoffnung, er kommt herein und ich kann das Fenster hinter ihm schließen. Draußen haben wir Minusgrade, er muss ins Warme und eine ordentliche Mahlzeit bekommen.  

...und nach einigem Zögern kommt er und frißt, geht dann ein Stockwerk höher auf seinen Schlafplatz und fällt sofort in einen Tiefschlaf. Alter Mann sage ich, was traust du dir noch zu. Du kannst ein behütetes Leben bei uns haben, nimm es doch bitte an!

Viele Tage ging es so: er ging und kam oder kam nicht und wir hatten große Sorgen, weil die Temperaturen tiefer sanken und es fortlaufend schneite. Immer wieder ließen wir das Badezimmerfenster geöffnet, um ihm eine Möglichkeit zu geben, nach seinen langen nächtlichen Streifzügen wieder ins warme Haus zu gelangen.

...doch dann beschloß er, seine täglichen Gewohnheiten festzulegen: morgens und abends für ca. eine Stunde nach draußen in den Schnee gehen und dann vor dem Bürofenster sitzend auf Einlass warten. Er erkundet das Haus, versucht Freundschaften mit anderen Katzen zu schließen und sobald er mich sieht, kommt er freudig und schmiegt sein Köpfchen an mein Bein. Ich bemerke beim Streicheln, wie wohl er sich fühlt mir nah zu sein und sein Schnurren wird immer lauter. Für den Winter wäre unser Zusammenleben geklärt, wie es im Frühjahr wird, werden wir sehen.

Wir wollen ihn nie wieder vermissen und Angst um ihn haben müssen, unseren Bonny, den niemand vermißt und den niemand haben wollte...